Das Methusalem-Komplott by Schirrmacher Frank

Das Methusalem-Komplott by Schirrmacher Frank

Author:Schirrmacher, Frank
Language: deu
Format: epub
Published: 2010-04-03T16:00:00+00:00


Der »Refund«-Kreislauf

Die englische Journalistin Victoria Cohen gehört zu denjenigen, die unter dem Eindruck der alternden Gesellschaft das ökonomische Verhalten der heutigen Rentner studiert hat. Sie ist einen Schritt weitergegangen, als man gewöhnlich geht. Dass ältere Leute kurz nach ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben leicht durcheinander sind und es eine Weile dauert, bis sie sich an die neuen Lebensverhältnisse angepasst haben, ist bekannt. Unzählige Reportagen schildern die »silver-generation« auf Reisen, im Gesangsverein oder in der Kirchengemeinde. Cohen, wie gesagt, ging den entscheidenden Schritt weiter und fragte, was angesichts der längeren Lebenserwartung ältere Leute tun, nachdem sie sich über Jahrzehnte an Ruhestand, Rente und – da es sich um England handelt – Bridge gewöhnt haben. Hilft ihnen, was viele von uns durchs Leben bringt, der pure Konsum? Und was kaufen die 75-Jährigen oder 85-Jährigen eigentlich ein? Fruchtentsafter und Münzen, wie wir allenfalls vermuten, oder doch Computerspiele und die neuesten DVD-Recorder?

Sie tun all das. Anders ausgedrückt: Sie kaufen das alles ein und nehmen es mit nach Hause. Aber das ist nur die eine Hälfte der Story. Zwei Tage später gehen sie wieder los und bringen alles wieder zurück. Dann beginnt das Spiel mit neuer Ware von neuem. Auch Homeshopping ist beliebt. Der Akt des Bestellens und das Eintreffen der Ware gehen reibungslos über in deren Wiederverpackung und Rücksendung.

Offenbar lieben es ältere Leute, Dinge wieder in die Läden zurückzubringen. Wie kommt es, fragt Victoria Cohen, dass man an den Umtauschschaltern bei Marks & Spencer immer nur 80-Jährige sieht? Weil es ihnen Spaß macht, die Waren zurückzubringen; weil es ihnen nicht um den Kauf, sondern um die Simulation des Warenverkehrs geht, aus dem sie ausgeschlossen sind. Der »Refund«-Kreislauf Geld-Ware-Geld bringt keinen Cent mehr oder weniger in die Kasse der Älteren, aber er kostet Zeit. Und genau diese Erfahrung gibt ihnen das Gefühl, am sozialen Leben teilzuhaben. Anders gesagt: Sie wollen auf irgendeine Weise am Wirtschaftsleben aktiv teilnehmen, und sei es nur, um soziale Erfahrungen zu sammeln. In Deutschland ist so gesehen das Dosenpfand ein guter Anfang. Es sollen, so berichtet die Journalistin, vor britischen Supermärkten 70-Jährige reich geworden sein, weil sie massenweise leere Pfandflaschen gesammelt haben.

Das Problem ist, dass die leeren Flaschen zwar von den emsigen Alten zurückgebracht werden, aber keine vollen mehr rausgehen. Irgendwann sammeln sich statt der Flaschen immer mehr alte Sammler vor den Supermärkten, deren unverhohlene Gier nach Leergut wiederum die Jungen abschreckt.

Das Dilemma besteht natürlich darin, dass die Alten nicht weniger, sondern mehr werden, das System zerstören und Urängste wecken, die seit Jahrzehnten vertrieben schienen. Nicht nur die umlagefinanzierte Rente, die nichts anderes ist als eine Pfandflasche, die uns von einem dieser älteren Herrschaften entrissen worden ist. Wir zahlen Pfand auf alles im Leben, kostenlose Umtauschgebühren gibt es nur bei Marks & Spencer. Die Natur achtet beispielsweise darauf, dass unsere Körper nicht alle Kalorien in Schönheit, Kraft und Sexualität investieren, sondern genug übrig bleibt, um unsere Kinder großzuziehen. Sie hat nicht damit gerechnet, dass ein Lebewesen nicht nur seine Nachkommen, sondern auch seine Vorgänger versorgen muss. Da jede Generation weniger Nachwuchs



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